ISAN

Vor 2 Wochen wurde ich von einem Bargirl gefragt, ob ich sie in ihre Heimat begleite. Ihr Name ist „Pang“, ich kenne sie schon seitdem ich in Pattaya bin, gemeinsam haben wir schon viel erlebt, zu ihr hatte ich von Anfang an ein enges Verhältnis. Durch sie habe ich schon schnell einen tiefen Einblick in das System hinter den Bars und in die Beziehungen mit den Freiern bekommen.

Also die Flüge wurden gebucht, der ursprüngliche Plan war, dass noch ein Freier von ihr mit uns kommen würde. Ja ich weiß, verrückte Vorstellung gemeinsam mit einer Prostituierten, ihrem Freier und einer anderen Freiwilligen, quer durch das Land zu reisen. Aber nach guten drei Monaten in Pattaya schockt mich so schnell nichts mehr.

Lets go!

Nun geht es endlich los, in Udon Thani angekommen, holte uns der Onkel (Pi Ott) unserer Freundin ab und fuhr uns quer durch den Isan. Die Provinz Udon Thani umfasst in etwa 430.000 Tausend Einwohner. Schon aus dem Flugzeug erahnte ich die eher kahle, sandige und flache Landschaft. Als wir uns nun mit dem Auto zwei Stunden durch das Land gefahren sind, ist mir doch die Schönheit des Isans aufgefallen, hier und da zieht sich dann doch eine Bergkette durch die Provinzen und die Kautschuk Wälder sind wunderschön. Nach einigen Stunden Autofahrt und einigen Facetime Gesprächen mit Freiern meiner Freundin, haben wir ihre Nichte abgeholt und sind gemeinsam wieder zurück nach Udon Thani, in einen „Makro Market“. Das ist wie ein normaler Supermarkt, nur dass alles überdimensional groß war, so haben wir auch für mehrere Fußballmannschaften eingekauft. Im Voraus, habe ich meine Freundin gefragt, wen, oder wie viele wir so c.a. von der Familie treffen werden, ihre Antwort war einfach nur: „a lot“ und das war es auch. Als wir nun am späten Abend endlich ihr Zuhause in der Gegend „Sakon Nakhon“ erreicht haben, dass 1,5 Stunden außerhalb der Großstadt Udon Thani liegt, wurden wir von vielen Familien Mitgliedern sehr herzlich empfangen. Jede Frau, die über 35 war, wurde uns grundsätzlich als „Mama“ vorgestellt und alle darunter waren Brüder oder Schwestern. Also so ganz durchgeblickt habe ich bis heute nicht, wer da mit wem und wie zusammen ist - aber ganz ehrlich, ich glaube so ganz genau wissen die das oft auch nicht. Die Familie, bei der wir wohnen durften, lebt in einem aus Stein gebauten Haus, um das Haus herum, im freien, wird aber gelebt, gekocht, gegessen und geschlafen. Pang, Marei und ich haben in der ersten Nacht in einer einfachen Hütte gemeinsam mit dem Onkel geschlafen. Nachdem wir erst einmal mit Essen überhäuft wurden, haben wir uns alle gemeinsam um das Feuer gesetzt, ein Bruder hat Gitarre gespielt und wir haben alle gemeinsam, getanzt, gesungen, gegessen und die älteren ziemlich viel getrunken…


Alkohol

Dem Alkohol, waren viele in der Familie nicht abgetan, oftmals wurde schon zum Frühstück das erste Bier geöffnet oder einen Whiskey gekippt. Was ich sehr problematisch finde, wenn der eine Onkel den ganzen Tag schläft oder trinkt und nichts so richtig mitbekommt. Jedoch, hat es mich erstaunt, dass sich das Alkoholverhalten nicht auf die junge Generation ausgewirkt hat. Einen Abend hat Jack (keinen Bruder von meiner Freundin) seine Freunde eingeladen, da saßen sie nun, 15 Jungs im Alter von 17- 20 und haben alle ganz verschüchtert an einem Plastikbecher mit 70% Eis und 30% Bier genippt. Ich finde da gehört sehr viel dazu, in einer Umwelt, in der, der exzessive Alkohol Konsum von Erziehungspersonen als so normal vorgelebt wird, nicht dasselbe zu tun.

 

Essen

Morgens wurde ich erstmal davon geweckt, dass irgendeine Tante, mit drei frisch gebratenen Maiskolben in die Hütte kommt und sie mir zum Essen hinstellt. Dass nenne ich mal Frühstück am Bett! Noch müde und etwas verspannt von dem Schlafen auf dem Boden, mache ich mich zum Haus auf, da steht auch schon GG und Jack (Brüder/ Cousin von Pang) am Herd und brutzeln uns schon das Omelett in der Pfanne, im Handumdrehen, wird noch ein Papaya Salat gemacht und natürlich darf der „Sticky rice“ auch nicht fehlen. Ich sags euch, ich habe in dieser Woche sooo viel gegessen, ich konnte nirgendwo hin gehen ohne einen Korb mit „sticky rice“ oder einen Maiskolben in der Hand. Gemeinsam am Küchentisch oder auf dem Boden mit den Omas, Tanten, Müttern haben wir dann gegessen und alle paar Minuten haben uns Jack und GG was neues zum Essen gebracht.

 

 


                                                     

Ich und mein eigener Reiskorb
               
                                                                                                                                    

Rollenverteilung

Grundsätzlich finde ich es spannend, wie die Rollenverteilung in der Familie ist. Es hat mich überrascht, dass selbst in einer sehr klassischen Familie, keine strickte Frau/ Mann Trennung gibt. Die Jungs, standen eigentlich den ganzen Tag über dem Gasherd und haben die ganze Familie bekocht. Auch bei der Erziehung/Betreuung der kleinen Nichte meiner Freundin, haben alle gemeinsam mitgeholfen. Selbst, wenn es darum ging, in feinster Handarbeit aus Papier etwas für den Tempel zu basteln, saßen GG und Jack, gemeinsam mit den Tanten im Schneidersitz und haben über Stunden kleinste Origami Schächtelchen gebastelt.

 

Alltag

Diese Woche war nicht nur für mich total außergewöhnlich, nein, für die Familie war es auch eine ganz besondere Woche, denn der älteste Bruder meiner Freundin wird nach einer dreitägigen Feier zum Mönch und für einen gewissen Zeitraum in den Tempel gehen. Das war der Anlass, warum täglich zwischen 20 und 30 Leute am Haus rumgewuselt sind, um alles für die große Feier vorzubereiten, bei der dann um die 200 Menschen kommen werden. Auch Marei und ich wurden in die Vorbereitungen eingebunden, gemeinsam mit GG und Jack haben wir Tische und Stühle abgeholt, Dinge von A nach B getragen, Bananenblätter getrocknet, einkaufen gefahren… am Abend saßen wir aber alle immer gemeinsam am Lagerfeuer und haben uns ein „Chauti“ gebraten. Das ist so etwas in der Art wie Stockbrot doch anstatt Hefeteig wird im Isan natürlich auf Reis zurückgegriffen, was auch sonst:)


                                 




(Jack, GG, Marei und Ich)

 

 Schulbesuch

Die Schwester der Verlobten des großen Bruders, oder so ähnlich… ist Lehrerin an der örtlichen Schule und hat uns eingeladen, die Schule zu besuchen, was total interessant war. In Thailand ist es kostenlos zur Schule zu gehen, man muss jedoch für die Schuluniform zahlen. In der Regel geht man bis zur 12 Klasse zur Schule.

Auf dem Schulgelände angekommen war es witzig einige der Kinder zu sehen, die ich am Tag davor, schon auf dem Wochenmarkt im Ort kennengelernt habe, die das natürlich ihren Freunden weiter erzählt haben, dass da zwei „Falangs“ (Ausländer) im Ort sind, auch ein paar Jungs, die am Abend zuvor noch an ihrem Bier mit Eiswürfeln genippt haben, haben wir auf dem Schulgelände wieder gesehen. Das Buschtelefon vom Isan, ist doch noch mal eine Nummer besser, als das von Eltershofen.

Gemeinsam haben wir dann kurzerhand den Englisch Unterricht übernommen, uns im Thai Unterricht in die letzte Reihe dazu gesetzt, mit den Kindern in der Pause Volleyball gespielt und viele, sehr viele Bilder gemacht… Der größte Unterschied aber zwischen Deutschen und Thailändischen Schulen ist immer noch die enorm hohe „Rollerdichte“ auf dem „Schülerparkplatz“

 

                            

 


 

 Wenn die Maske fällt

Alles etwas sehr harmonisch, was ich bisher beschrieben habe, kein Streit, ausgeglichene Geschlechterverhältnisse, Essen im Überfluss, ausgelassene Abende am Lagerfeuer, klare Sicht auf die Sterne… Doch was ist, wenn die Fassade bröckelt und die Maske fällt? An einem Abend durfte ich das miterleben, wie Pi Ott der Onkel, der die ganze Woche alles für uns gemacht hat, sich auch innerhalb der Familie um alles gekümmert hat, der ein total ruhiger und sehr lieber Mensch ist, völlig ausgetickt und wutentbrannt aus seiner Hütte gestürmt ist. Er die gesamte Familie, die gerade fröhlich alle in der Küche gegessen und gekocht haben in einer Intensität und einer Lautstärke angeschrienen hat, Fässer Meter weit gekickt hat und schlussendlich außer sich vor Wut alles von dem Wänden gerissen und dann in den Wald geflüchtet ist. Als das passiert ist, hieß es zu uns „Falangs“ dass wir jetzt gehen müssen, also nahmen wir die kleine Nichte unserer Freundin und sind in einen anderen Rum gewechselt. Denn jetzt hat hier jemand sein Gesicht verloren, und das vor den Augen, der ganzen Familie und den Ausländern! Im Nachhinein bin ich total dankbar, diese Szenerie miterlebt zu haben, denn so konnte ich viel besser verstehen, was es bedeutet, wenn ein Thai das Gesicht nicht mehr wahren kann.

Es ist eine Gesellschaft, in der negative Emotionen wie Trauer, Wut oder Ärger nicht ausgedrückt werden. Man lernt nicht, wie man streitet oder andere Methoden, um mit Emotionen umzugehen und diese zu äußern. Schon ganz oft habe ich von Leuten mitbekommen, die mit Thais in einer Beziehung sind oder lange Jahre in diesem Land leben, dass das, was ich miterlebt habe, etwas ganz normales ist. Mich wundert es auch nicht, dass es irgendwann aus einem herausbrechen muss, wenn man nie gelernt hat, wie man mit Emotionen umgehen soll. Nicht grundlos ist Selbstmord nach Unfällen im Straßenverkehr die zweitmeiste Todesursache in Thailand. Wenn es in einer Gesellschaft nicht gestattet ist, über negative Gefühle zu sprechen, sondern man so lange lächelt, bis man es nicht mehr kann und dann rastet man aus oder wählt andere Wege…

Ach ja, wie wurde nach dem Vorfall damit in der Familie umgegangen? es wurde weg geschwiegen, denn es ist mehr als normal, dass jemand so enorm austickt. Das Leben ging nach 10 Minuten einfach so weiter wie vorher, es wurde nicht mehr darüber gesprochen und am nächsten Morgen war Pi Ott auch wieder der alte, nette, liebe Mensch wie zuvor. Bis halt wieder jemand ausrastet… Ich hoffe wirklich, dass in der jungen Generation da ein Wandel stattfindet, Gefühle aller Art akzeptiert sind, Kinder und Jugendliche lernen, wie man Emotionen ausdrückt. Damit es erst gar nicht so weit kommt und man nicht alles unangenehme so lange weg schweigt oder unterdrückt, dass man nicht mehr anders kann als auszurasten, Gewalttätig gegenüber seinem Umfeld zu werden oder gar sich selber das Leben zu nehmen.

 

Fazit

Meine Erwartungen an den Isan waren viel unbebaute Gegenden zu sehen, Armut und heruntergekommene Hütten, wo die Menschen über Generationen zusammenwohnen. Gefolgt von einer schlechten Infrastruktur. Außerdem hätte ich nicht damit gerechnet irgendeine weibliche Person im alter von 17-29dort vor zu finden, da nach meinen Vorstellungen der Isan keine Frauen in dem alter haben kann, da sie alle in Pattaya sind…

Doch was mich erwartete, waren eine erschreckend große 7/11 (kleiner Supermarkt) dichte, moderne Straßen, von denen jeder Eltershöfer träumt und trotz den schlechten Böden, viel Landwirtschaft. Klar gibt es die klassischen kleinen sehr armen Hütten, doch das nicht in der überwältigenden Masse wie zuvor berichtet wurde.

 Es war eine unglaublich erlebnisreiche Zeit, die ich nicht missen möchte. Ich habe die Familie dort sehr liebgewonnen, wir wurden unglaublich freundlich aufgenommen, wurde für eine Woche ein Teil ihrer Familie. Und doch werde ich sie nie ganz verstehen. Umso tiefere Einblicke man bekommt, umso mehr Fragen stellen sich mir. Doch eins wurde mir klar, dass wir als Menschen nicht immer logisch Handeln oder Agieren, dass es Strukturen und Umstände gibt, die einen zu Entscheidungen zwingen, die fern ab von einem Normal sind. Ich werde es nie verstehen können, warum man seine geliebte Tochter wissentlich in die Prostitution schickt! Trotz allem, glaube ich nun ein besseres Bild davon zu haben, woher die Frauen in Pattaya kommen, und dass hinter den Familien, die ihre Töchter in die Prostitution schicken, nicht zwangsweise schlechten Menschen stecken. Ich bin der ganzen Familie sehr dankbar, dass ich so eine Erfahrung machen durfte und mit unzähligen, neuen, großartigen Erlebnissen wieder nach Hause fahren darf.

 

 

Kommentare

  1. Ganz toller Bericht. Ich habe ja auch etwas Einblick in die Thailändische Kultur (meine Schwägerin ist Thai, aus der Provinz Ban Dan. Richtung Kombocha). Auch sie hatte in einer Bar in Pattaya gearbeitet, als mein Bruder sie kennen lernte. Er hat damals gesagt, sie ist zu Schade für das Leben dort und hat alles daran gesetzt, sie nach Deutschland zu holen. Und ich mag sie sehr. Viele ihrer Thai Freundinnen hier in der Gegend sind auch gute Bekannte von mir, immer nett und freundlich und für ein Sch^wätzchen zu haben, wenn man sich trifft.

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  2. Danke Steffi für Deine Offenheit!
    Wie schön, dass Du sie so gut annimmst. Es ist bestimmt nicht immer leicht für sie in Deutschland.

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